"In der Schule haben wir den Kleinen Prinzen nicht gelesen. Wir hatten einen ausgezeichneten, aber sehr eigenwilligen Französischlehrer, der sich nicht an den Lehrplan hielt und uns lieber durch Vol de nuit und Pilote de guerre mit Saint-Exupéry bekannt machte. Irgendwann ist er mir dann doch über den Weg gelaufen, ich vermute mal in meinen Zwanzigern, Der kleine Prinz ist schließlich Weltliteratur. Vielleicht hat mich ein Mädchen zur Lektüre gezwungen, ich weiß es nicht mehr. Mir war Der kleine Prinz immer zu süßlich, und als mich meine Verlegerin fragte, ob ich Interesse hätte, den Kleinen Prinzen zu übersetzen, war meine spontane Reaktion: "Warum ausgerechnet ich?" Gerade das Gefühlige ist mir immer das Schwerste. Sobald es "poetisch" wird, flammen bei mir die Warnlämpchen auf: Vorsicht, Kitsch! Es gibt eine ganze Reihe von Übersetzungen, darunter sogar gelungene. Hätte ich mich um noch mehr Präzision bemühen, hätte sich mein Text nur um Nuancen von den Versionen der Kollegen unterscheiden. Mit meiner Übersetzung habe ich einen Ansatz versucht, der, ohne sich dem Zeitgeist anzubiedern, den Text dem heutigen Leser schmackhaft macht. Der das Skurrile im Prinzen etwas hervorholt und das Süßliche ein klein wenig herunterbricht. Der sich nicht sklavisch um sprachliche Werktreue bemüht, sondern sich die Freiheit herausnimmt, zu ein bisschen anderen Lösungen zu finden, als ein Schriftsteller französischer Sprache vor siebzig Jahren. Und wenn dann am Ende jemand sagen würde "Das ist zwar nicht ganz präzise, kommt aber der Intention von Saint-Ex näher als die wortwörtliche Übersetzung", dann wäre das für mich ein Kompliment. Mal gucken." Thomas Pigor
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